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Meilenstein für Renninger Turner

Während das Corona-Virus unsere Gesellschaft seit Monaten im Griff hat, ist es ruhig geworden um den Sport, wenn man vom Fußball absieht. Wer aber am vergangenen Wochenende den Fernseher eingeschaltet hat, war plötzlich mit deutschem Profi- und Spitzensport konfrontiert. 18 Sportarten, 140 deutsche Meistertitel und fast 2300 Athleten bildeten den Rahmen für die Großveranstaltung „Die Finals 2021“. Passend zum Slogan „ein Hauch von Olympia“, gelang es den Verantwortlichen durch eine Bündelung maximales Medieninteresse für eine Vielzahl von Deutschen Meisterschaften zu wecken.

Wer genau hinschaute, konnte am Freitagnachmittag im ARD-Livestream einen ambitionierten Drittliga-Turner und seinen Trainer aus Renningen auf dem Bildschirm erkennen. Die Rede ist von Lovis Spiess und Wayne Jaeschky von der Sportvereinigung aus der Rankbachstadt. Bereits Mitte April stellte das Duo die Weichen. Beim Qualifikationswettkampf zu den Deutschen Meisterschaften – hier startete Spiess für seinen Heimatverein SpVgg Renningen, erzielte er im Sechskampf 68,050 Punkte und verfehlte damit um wenige Zähler die notwendige Qualifikationspunktzahl. Weil aber nach Meldeschluss noch Startplätze frei waren, durfte er schließlich noch nachrücken. So fand er sich an jenem Freitag in der Westfalenhalle in Dortmund wieder.

Während die deutschen Topathleten, Lukas Dauser, Andreas Toba, Andreas Bretschneider und andere, um die Olympiastartplätze kämpfen mussten, konnte „ich ohne Druck das Event erleben“, erklärte Spiess. „Den einzigen Druck, den ich spürte, war mein eigener Ehrgeiz“, ergänzte er. Somit war die Taktik für den Wettkampf klar: Keine Risikoteile, stattdessen Routineübungen, um sich möglichst gut zu präsentieren. Dementsprechend strich Trainer Jaeschky am Reck die noch sturzanfällige Tkatchev-Grätsche und ließ seinen Schützling ein einfacheres, sogenanntes Überkehren turnen, welches Spiess dann auch einwandfrei hängen konnte. Ebenso wie am Königsgerät, setzte das Duo am Pauschenpferd und an den Ringen auf die sichere Variante. „Uns war von Anfang an klar, dass Lovis nie um einen vorderen Platz mitkämpfen wird. Aber Letzter wollten wir dann auch nicht werden“, sagte Jaeschky schmunzelnd. Dass sich Sauberkeit auszahlen kann, wurde am Barren deutlich. Spiess gelang mit nur 0,85 Punkten der geringste Abzug des Wettkampfes an diesem Gerät, wozu auch sein sicherer Doppelsaltoabgang beitrug. Fast übertragungsreif fürs Fernsehen, war seine Bodenkür, wofür er beachtliche 12,500 Punkte erhielt. Hier gelang es ihm sein einziges Zitterelement, den sogenannten Doppeltwist – ein aus dem Flick-Flack abgesprungener Doppelsalto vorwärts, der durch eine halbe Drehung eingeleitet wird – zu zeigen. Doch leider konzentrierten sich die Kameras im entscheidenden Moment nur auf das Geschehen bei den potenziellen Olympiaturnern.

 

In einem Starterfeld von 30 Turnern belegte Spiess am Ende des Geräte-6-Kampfes den 26. Platz mit 68,550 Punkten. Es gelang ihm dabei sogar seine schwäbischen Konkurrenten, Magnus Teschner und Adrian Müller (27. bzw. 28. Platz / 66,750 Punkte) und Yassin El Azzazy (29. Platz / 65,750 Punkte), denen er sich beim Qualifikationswettkampf geschlagen geben musste, hinter sich zu lassen. Die Renninger Turnabteilungsleiterin Lara Schöck fand nach Ende des Wettkampfes sogleich lobende Worte: „Diese Leistung ist für Lovis und unsere Turnabteilung ein wahnsinniger Erfolg und ein Meilenstein zugleich“. Als Deutscher Mehrkampfmeister setzte sich Lukas Dauser mit 82,750 Punkten vor Nils Dunkel (80,400 Punkte) und Andreas Toba (80,200 Punkte) durch. Diese drei Herren dürfen sich berechtigte Hoffnung auf die Teilnahme an den olympischen Spielen im Sommer in Tokio machen – sofern ihnen Corona dabei nicht einen Strich durch die Rechnung macht.